Altlastensanierung und nachhaltige Energiegewinnung

Die Debatte über den Jahrhundertsommer im August 2018, bereits der 2. Hitzesommer in diesem noch jungen Jahrhundert, ist in vollem Gange. Dürren, ausgetrocknete Bäche und Teiche, verdörrte Felder und Waldbrände, der Klimawandel ist zumindest in der öffentlichen Meinung auch bei uns angekommen. Allerdings ist zu befürchten und unschwer vorherzusagen, dass bereits im Herbst sich die Diskussionen, dem Klimawandel entgegenzutreten, bereits deutlich abgekühlt haben werden. Umso wichtiger ist es, vor dem Hintergrund der noch vorhandenen Sommereindrücke, für die ernsthafte Notwendigkeit der Umstellung unserer Energiegewinnung zu werben und neue, innovative Wege hierfür aufzuzeigen. Wie können neue Planungsmethoden und etablierte Techniken die Energieeffizienz verbessern? Welchen Beitrag zur nachhaltigen Energiegewinnung kann eine Folgenutzung von Brachflächen, Altablagerungen und Deponien leisten?

 

Thermische Aktivierung von Mixed-in-Place-Wänden

Was wäre, wenn man die Hitze des Sommers zum Beheizen von Gebäuden im Winter nutzen könnte? Mit Wärmepumpentechnik und einem Speichersystem im Untergrund lassen sich schon seit Jahren effiziente saisonale Thermospeicher bauen. Geothermische Hochtemperaturspeicher wie z.B. in Crailsheim werden mit viel Aufwand mit Wärme aus thermischen Solarkollektoren aufgeladen. Mittels Erdwärmesonden wird diese Wärme auf hohem Temperaturniveau im Untergrund gespeichert.

Einfacher und kostengünstiger geht die Speicherung von Wärme über die Jahreszeiten mit thermisch aktivierten Betonbauteilen im Untergrund. Die für die Gebäudegründung notwendigen Fundamente (Pfähle, Wände oder Bodenplatten) werden mit PE-Rohrleitungen bestückt, durch die im Betrieb eine Flüssigkeit fließt. Die Flüssigkeit gibt im Sommer die im Gebäude gesammelte Wärme an den Untergrund ab und kann im Winter die Wärme wieder einsammeln, um diese an das Gebäude abzugeben. Dies funktioniert durch umschaltbare Wärmepumpen, die je nach Jahreszeit und Bedarf die Flüssigkeit kälter oder wärmer als den Untergrund temperieren können. Dabei ist die Wärmepumpentechnik im Wohngebäudebereich bereits weit verbreitet. Sie kommt mittlerweile häufiger zum Einsatz als herkömmliche Gasbrennwertkessel. Hauptanreiz sind die geringen Betriebskosten effizienter Wärmepumpensysteme. In Gewerbe und Industrie sind die hohen Investitionskosten noch ein Hinderungsgrund für einen häufigeren Einsatz. Mit der Erkenntnis, dass zur thermischen Aktivierung von Gründungselementen nur geringe Mehrinvestitionen erforderlich sind, schwenken schon viele Planer zu dieser Zukunftstechnik zur Beheizung und Kühlung von Gebäuden um.

Als eine der effektivsten Methoden, Wärme über thermisch aktivierten Betonbauteile mit dem Untergrund auszutauschen, hat sich die thermische Aktivierung von Mixed-in-Place (MIP) Wänden herausgestellt. Im Gegensatz zu Schlitzwänden oder überschnittenen Bohrpfahlwänden ist bei MIP-Wänden die PE-Rohrleitung an einem großvolumigen Stahlbauteil angebracht. Diese Stahlbauteile haben sehr gute Wärmeleitende und -speichernde Eigenschaften. In Kombination mit der Durchmischung des Bodens wird ein hervorragender Wärmedurchgang vom Wärmeträgermedium auf das umgebende Erdreich erreicht. Thermisch aktivierte MIP-Systeme gehören zu den effizientesten Wärmetauschern am Markt.

 

Depothermie

Die Energienutzung von Deponien beschränkt sich aktuell im Wesentlichen auf eine Verwertung des anfallenden Deponiegases. Eine energetische Nutzung des Wärmeinhalts von Deponien und Altablagerungen im Sinne einer geothermalen Nutzung (energy mining) findet bisher nicht statt, obwohl Altdeponien über Jahrzehnte erhöhte Temperaturen aus biologisch-chemischen Abbauvorgängen und Reaktionen der Abfallinhaltsstoffe aufweisen können. Auf der anderen Seite könnten Altdeponien unter bestimmten Randbedingungen auch für eine saisonale Wärmespeicherung ähnlich eines Kies-Wasser-Speichers in Frage kommen. Der Begriff Depothermie umfasst daher die Wärmegewinnung und –speicherung in Deponien und Altablagerungen.

 

Bislang sind weder die Wärmegewinnung noch die Wärmespeicherung in Deponiekörpern ausreichend untersucht oder großtechnisch erprobt. Insbesondere fehlen thermodynamische Kenngrößen, wie Temperatur des Abfallkörpers, die Wärmeleitfähigkeit und Wärmespeicherkapazität, als wesentliche Grundlagen einer geothermischen Modellierung und Auslegung einer Depothermieanlage. Um erste Wissenslücken zu schließen, wurden in den letzten drei Jahren orientierende Untersuchungen auf einer niederbayerischen Altdeponie durchgeführt. Die etwa 24 ha große Altdeponie Peterswöhrd entstand ab den fünfziger Jahren als ungeordnete Aufschüttung von überwiegend Bauschutt und Hausmüll in einer ehemaligen Grube zum Kiesabbau und wurde nach Schätzungen des örtlichen Amtes für Umwelt- und Naturschutz bis Dezember 1977 mit etwa 1,4  Mio. Kubikmeter Siedlungsabfälle aufgefüllt.

 

An vier Stellen wurden Wärmesonden eingebaut, an mehreren Punkten konventionelle Wärmemessungen im Deponiekörper und den angrenzenden Pegeln durchgeführt sowie thermodynamische Kennwerte mittels Thermal Response Test (TRT) ermittelt. Wie die nachfolgende Abb. 1 zeigt, traten in dem gut 40 Jahre alten Abfallmaterial durchaus erhöhte Temperaturen bis zu ca. 29 °C bei Außentemperaturen um den Gefrierpunkt auf.

 

Die Schneckenbohrungen mit Verrohrung (Durchmesser 180 mm) wurden jeweils bis zur Sohle in 8,5 bis maximal 10 m Tiefe niedergebracht und konnten ohne technische Probleme oder nennenswerte Emissionen ausgeführt werden. Aus der Auswertung der Temperaturdaten des TRT ergibt sich die effektive Wärmeleitfähigkeit, die für den Deponiekörper mit einem vergleichsweise guten Wert von 1,84 W/(m K) berechnet wurde. Die spezifische Wärmekapazität liegt bei 2,1 MJ/(m³ K). Die ungestörte Bodentemperatur T0 ist mit 11,1 °C geringer als erwartet, aufgrund der geringen Tiefe und der frostigen Winterbedingungen für diese Jahreszeit aber noch zufriedenstellend. Zur Mitte des Deponiekörpers hin sind noch höhere ungestörte Bodentemperaturen von 15 °C und mehr anzutreffen, wie ergänzende Handmessungen der Temperaturen in ca. 8 m Tiefe zeigen, die bei einer Außentemperatur von ca. 4 °C bei rund 26 °C lagen.

 

Ausgehend von den ermittelten Kennwerten des Thermal Response Tests wurde mittels Earth Energy Designer (EED) eine Simulationsberechnung für eine Erdwärmesondenanlagen auf der Altdeponie durchgeführt. Im Ergebnis zeigt sich, dass der Grundbedarf des unmittelbar benachbarten Schulgebäudes von 550 MWh und gleichzeitiger Spitzenlast von 260 kW im Januar durch die Anlage gedeckt würde. Die Nutzwärmeerzeugung bei 1.800 Arbeitsstunden von 448 MWh kann demnach selbst im schlechtesten Fall erreicht werden; dies entspricht rund 76 % des Wärmebedarfs des Gymnasiums. Bereits bei einer geringfügig höheren Untergrundtemperatur erreicht die Anlage 540 MWh, die ca. 92 % des Bedarfs des Schulgebäudes decken würden. Zur Überprüfung der vorgenannten Aussagen wurde eine vergleichende Berechnung mit dem Programm PILESIM bei einer ungestörten Bodentemperatur von 15 °C durchgeführt, mit der die o.a. Aussagen bestätigt werden.

 

Mit spezifischen Investitionskosten für die Gesamtanlage von rund 106 €/m Gesamtsondenlänge wird die Anlage im Bereich konventioneller Erdwärmesondenanlagen liegen. In den jährlichen Betriebskosten sind Aufwendungen für Reparatur, Wartung, Unterhalt und Versicherung enthalten sowie die Stromkosten der Wärmepumpe, auf die rund 80 % der Kosten entfallen. Mit ca. 6,6 Cent/kWh erzeugter Wärme liegen die Gestehungskosten in einem wirtschaftlich interessanten Bereich und in der Mitte der Preisspanne von aus Gas erzeugter Wärme und der örtlichen Nahwärmeversorgung. Eine klassische Wirtschaftlichkeitsbetrachtung wird der depothermalen Wärmegewinnung sicherlich nicht gerecht, da in die Gesamtbetrachtung ökologische und städtebauliche Kriterien einbezogen werden müssen. Mit der Depothermieanlage ist eine regenerative Wärme- und auch spätere Kälteerzeugung möglich, ebenso kann ein Depot für eine Energiespeicherung geschaffen werden. Die Altdeponie wird einer sinnvollen Nachnutzung zugeführt, wodurch der Flächenverbrauch minimiert sowie Chancen und Möglichkeiten zur Ansiedlung von Gewerbe auf und im Umfeld der Deponie geschaffen werden können. Bei ca. 100.000 Altablagerungen in Deutschland kann hier ein interessantes Nutzungspotenzial bestehen und entwickelt werden.

 

Building Information Modeling (BIM) bei der Altlastensanierung

Bei der Entwicklung von Geothermieanlagen – ob Erdwärmesonden, Energiepfähle, geothermische Brunnenanlagen, thermisch aktivierte MIP Wände oder Depothermieanlagen – ist es wichtig, eine ganzheitliche Planung durchzuführen. Mit Building Information Modeling (BIM) lässt sich heute schon eine ganzheitliche Planungsmethode einsetzen, die zukünftig den CAD-Standard ersetzen wird. Schon heute wird die Methode in USA, Schweden, England und Australien im großen Stil eingesetzt, um Gebäude und Infrastrukturprojekte in mindestens drei Dimensionen zu planen. Mit der Verknüpfung von dreidimensionaler Planung, Kosten- und Terminplanung kann BIM den kompletten Prozess der Erstellung von Bauwerken in 5D digital vorplanen. Hieraus ergeben sich zahlreiche handfeste Vorteile. Zum Beispiel bei Planungsänderungen. Diese lassen sich mit allen Abhängigkeiten Schritt für Schritt nachvollziehen. Führen diese Änderungen zu Kollisionen von Bauteilen oder steigen die Kosten über die vorgesehenen Budgetgrenzen oder ergeben sich Verschiebungen im Terminplan, zeigt die BIM Software automatisch diese Probleme an und schlägt in vielen Fällen auch schon Lösungen vor. Auch verhindert eine dreidimensionale Planung Fehler, die bei der herkömmlichen Zusammenführung von zweidimensionaler Planung entstehen.

 

Bei der Altlastensanierung kann BIM nicht nur den Bauprozess von Abdichtungen oder der technischen Installation unterstützen, sondern auch die logistischen Prozesse bei der thermischen Entsorgung von Deponiekörpern. Moderne Programme simulieren die einzelnen Bauschritte sowie die Bewegungen von Baustellenfahrzeugen und Transporten. Auf Basis von georeferenzierten, dreidimensionalen Daten und Zeitplänen kann die komplexe Struktur einer Baustelle oder einer Entsorgung vorab im Rechner geplant werden. Ergeben sich im Verlauf der Baustelle Änderungen, können diese als Grundlage für erneute Simulationsrechnungen verwendet werden. Dadurch lassen sich Prozesse sicherer und effizienter gestalten.

 

 

Verfasser:

Dr. Frank Tidden, Nico Beldermann, Dipl.-Ing. Holger Kaiser
frank.tidden@bauer.de