Mit dem Mountainbike quer durch Deutschland

Ein Abenteuer, das Lust auf mehr macht

Kelsterbach – Gleich zu Beginn seiner Tour, etwa 60 km hinter Lörrach, wartet der erste Schock auf Clemens Wahle: Das Handy ist ihm mitten im Wald aus der Trikottasche gefallen – ein Desaster. Die nächsten drei Tage geht es für ihn ohne Telefon und ohne Navigationssystem weiter, nur mit einem kleinen Bordcomputer im Gepäck, der die geplante Strecke offline zur Verfügung stellt. Für Clemens Wahle ist es eine ganz neue Erfahrung, allein zu sein in der Natur und nicht zu wissen, wann man schlafen geht.

 

Eigentlich wollte er bis nach Aserbaidschan radeln. Heute ist Clemens Wahle sogar froh darüber, dass ihm Corona einen Strich durch die Rechnung gemacht hat – auch wegen der aktuellen politischen Unruhen im Land. Statt der geplanten vier Monate nahm der Bauer-Mitarbeiter kurzerhand nur zwei Monate Auszeit vom Job. Und statt in den Kaukasus ging es im Juni und Juli mit dem Mountainbike einmal quer durch Deutschland. Als er von der „Bikepacking Trans Germany“ hörte, musste Clemens Wahle, Bauleiter in der BST-Niederlassung in Kelsterbach, nicht lange überlegen. Schließlich wollte er genau das: eine Mischung aus Abenteuer und sportlicher Herausforderung. Auf insgesamt 1.300 km, der Großteil davon auf unbefestigten Wegen, schlängelt sich die Langstreckenroute von Lörrach nach Berlin. Mit insgesamt 32 kg Gepäck plus Zelt begann die langersehnte Reise am Morgen des 1. Juni.

 

Los ging es in Lörrach an der Grenze zur Schweiz. Bestimmte Tagesziele hatte Clemens Wahle dabei nicht. Auch nicht, die Strecke in einer bestimmten Zeit zu schaffen. „Das war für mich die Freiheit“, erzählt er. „Selbst zu entscheiden, wo ich mich wohl fühle und mein Zelt aufschlagen möchte.“ Durch fünf Bundesländer und über vier Grenzübergänge zu den Nachbarstaaten verläuft die „Bikepacking Trans Germany“. Entlang am Rheinufer führt die Strecke zunächst über die Schwäbische Alb und den südlichen Schwarzwald, weiter durch die Fränkische Schweiz und das Fichtelgebirge bis zum Dreiländereck Bayern-Sachsen-Tschechien. Über den Kamm des Erzgebirges und durch die Sächsische Schweiz hindurch erreicht die Strecke schließlich die Oberlausitz. Auf den letzten 600 km gibt es dann zwar keine langen Steigungen mehr, dafür aber endlose Wälder.

 

18.000 Höhenmeter galt es für Clemens Wahle zu bewältigen. „Die Schwäbische Alb war schon eine immense Herausforderung“, berichtet er. In Mitteldeutschland eher flach, sei es dann später im Osten und an der Grenze zu Tschechien noch einmal richtig bergig geworden. 16 Tage war er insgesamt unterwegs, an vier davon legte der Bauer-Mitarbeiter jeweils eine regenbedingte Pause ein. Im Schnitt radelte er 100 km am Tag – klar, dass der Körper da viel Wasser benötigt. Und obwohl er einen Hohlfaser-Wasserfilter mit im Gepäck hatte, gestaltete sich das Trinken aus einem Bach dann doch nicht so problemlos wie gedacht. Die Diagnose in Berlin: Magen-Darm-Infekt inklusive Fieber. Nach eineinhalb Wochen Krankheit und ganze 7 kg leichter beschloss er schließlich, seine Tour vorzeitig in der deutschen Hauptstadt und nicht, wie ursprünglich geplant, 250 km entfernt in Rügen zu beenden. Die restlichen Wochen seiner Auszeit verbrachte der 32-Jährige dann in der Schweiz beim Bergsteigen.

 

Trotz aller Höhen und Tiefen – für Clemens Wahle war und bleibt seine Deutschlandtour eine unglaubliche Erfahrung: „Das Highlight war für mich zu erkennen, wie hilfsbereit die Menschen eigentlich sind“, sagt er abschließend. „Viele haben sich sofort für mich und vor allem das, was ich da tue, begeistert.“ Das Ziel, doch noch einmal nach Aserbaidschan zu radeln, hat er aber noch nicht aufgegeben.